Wie werden junge Menschen unter 25 Jahren in Stadt und Landkreis beim Übergang von Schule in den Beruf begleitet? Welche Möglichkeiten gibt es auch für diejenigen mit vielschichtigen Problemen und/oder Migrationshintergrund und wo gefährden geplante Einsparungen der Bundesregierung bewährte bestehende Strukturen? Darüber informierte sich der Bundestagsabgeordnete Daniel Schneider MdB (SPD) auf Einladung des Sozialdezernenten Friedhelm Ottens an verschiedenen Standorten in Cuxhaven. Hintergrund der Einladung waren die erst kurz vor dem Termin gekippten Pläne des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil, die Betreuung der unter 25-Jährigen von den Jobcentern auf die Arbeitsagenturen zu verlagern.
Nach einem Besuch der Jugendberufsagentur (JBA) begrüßte der Paritätische Cuxhaven Daniel Schneider in seiner Jugendwerkstatt Cuxhaven, im Jugendcafé Stellwerk und beim Jugendmigrationsdienst Cuxhaven (JMD). Im Beisein von Vertreter*innen des Jobcenters Cuxhaven, Kreistagspolitiker*innen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der CDU sowie Mitarbeiter*innen und Teilnehmenden des Paritätischen und Beschäftigten des Landkreises wurden die Einrichtungen, ihre wertvolle Arbeit und Auswirkungen von Sparplänen konkret skizziert.
In der Jugendberufsagentur – einer Kooperation von Agentur für Arbeit, Jobcenter und Landkreis unter einem Dach – stellte Leiterin Silvia Müller eindrucksvoll dar, wie alle junge Menschen in Stadt und Kreis beim Übergang von Schule in Ausbildung digital erfasst werden. „Niemand soll verloren gehen“ – unter diesem Motto hält die JBA an den Standorten Cuxhaven, Cadenberge und Wesermünde die passende Betreuung und Beratung vor und kooperiert eng mit Schulen und anderen Institutionen. „Ich glaube, man kann es nicht besser machen als wir hier“, unterstrich Sozialdezernent Friedhelm Ottens. Die vom Bundesarbeitsministerium kurzfristig vorgestellten Pläne hätten einen tiefen Einschnitt in gut funktionierende Strukturen bedeutet, seien sich alle Experten einig gewesen. Bevor die allerorts lauten und leisen Proteste gegen das Vorhaben in Berlin schließlich zum Umdenken geführt haben, seien Sorgen von Mitarbeitenden vor Jobverlusten nur durch viel Vertrauensarbeit und gutes Zureden abgewendet werden können, betonte Kai Uhlhorn, stellvertretender Geschäftsführer des Paritätischen Cuxhaven.
In der Jugendwerkstatt des Paritätischen verschaffte sich Daniel Schneider einen Überblick über die Qualifizierungsbereiche „Gesunde Ernährung“, „Holzwerkstatt“ und „Sozialer Möbelhof“ für Arbeitslose zwischen 17 und 27 Jahren. Die Maßnahmen dienen der persönlichen Stabilisierung, Orientierung und Qualifizierung mit dem Ziel, die Teilnehmenden in Ausbildung, Arbeit oder weiterführende Angebote zu vermitteln. Am Standort Cuxhaven und in der Jugendwerkstatt Hemmoor sind je 24 Plätze vorhanden, einige davon für Schulpflichterfüller*innen. Die 22-jährige Teilnehmerin Ronja lobte das Angebot: „Ich finde hier Hilfe fürs Bewerbung schreiben und Sicherheit“, sagte sie vor den Gästen und dem Bundestagsabgeordneten. Zuerst hätte sie „Angst gehabt, ein Catering für 150 bis 200 Leute zuzubereiten, jetzt freue ich mich“, sagte sie. Seit August 2023 ist die Cuxhavenerin in der Jugendwerkstatt beschäftigt, erhält eine feste Tagesstruktur und wartet nun auf Antworten auf ihre Bewerbungen.
Kennen gelernt hat Ronja den Paritätischen über das Jugendcafé Stellwerk. Das kümmert sich seit 2019 in der Bahnhofstraße 26 um schwer erreichbare junge Menschen (16H-SGBII-Maßnahme). Leiter Thomas Bader erläuterte Daniel Schneider das niedrigschwellige Angebot, das auch allen anderen Jugendlichen offensteht. Ein regelmäßiger Mittagstisch zum Selbstkostenpreis für einen Euro, die Möglichkeit zum Kickern, Billard- oder Playstation spielen sind ebenso vorhanden wie eine Dusche, eine Waschmaschine und ein Trockner. Vier Vollzeitmitarbeitende und eine Hauswirtschaftskraft stehen als Ansprechpartner*innen zur Verfügung; ein Beratungsbus ermöglicht auch die aufsuchende Arbeit mit jungen Jobcenter-Kund*innen, die nicht in Behörden oder ins Café kommen.
Für den geplanten Besuch des Jugendmigrationsdienstes stand nicht mehr genug Zeit zur Verfügung. Unterstrichen wurde allerdings, dass geplante Einsparungen der Bundesregierung beim Bundesprogramm „Respekt Coaches“ zur Streichung von zwei Stellen und Problemen führen werden. Über viele Jahre hinweg sind JMD-Mitarbeiterinnen regelmäßig in den Jahrgangsstufen 5 bis 10 mit verschiedenen Projekten in Kooperationsschulen, die dabei helfen, die Identität der Jugendlichen zu stärken, übers Theater oder Rappen eigene Ausdrucksformen zu finden und mit Sozialtrainings Zusammenhalt zu fördern beziehungsweise Anfälligkeiten für extreme Gruppierungen und Ansichten zu minimieren. „Die Einsparungen hätten zur Folge, dass der Bund ein wesentliches Instrument zur Demokratiebildung fahrlässig verliert. Das gilt besonders, da rassistische, antisemitische und politisch motivierte Gewalttaten in Deutschland rapide zunehmen und die AFD in Umfragen zu bevorstehenden Landtags- und Bundestagswahlen bei 20 und mehr Prozent liegt“, so der stellvertretende Pari-Geschäftsführer Kai Uhlhorn. Er appelliert an hiesige Lokal-, Landes- und Bundespolitiker aller demokratischen Parteien, auf die Vorhaben der Ampel-Koalition einzuwirken.
Daniel Schneider versprach, sich in Kürze noch einmal ausführlicher mit den JMD-Mitarbeiterinnen zu treffen. Am Ende des knapp vierstündigen Rundgangs stand der Appell an den Bundespolitiker, sich aktiv für den Erhalt der gefährdeten Stellen, vor allem im Bereich des Bundesprogramms Respekt Coaches und des Jugendmigrationsdienstes, einzusetzen. Und es bleibt die Sorge davor, was geschieht, wenn Einsparungen beim Jobcenter umgesetzt würden. „Es würde die Schwächsten und ggf. die Finanzierung des Jugendcafé Stellwerk durch das Jobcenter betreffen“, mahnt Kai Uhlhorn.